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Typisch für den Schweinswal ist die deutlich erkennbare dreieckige
Rückenflosse (© Dr. Harald Benke) |
Die Vermessung der Wale:
Mit Schall-Detektoren den Schweinswalen auf der Spur
(Stralsund, 22.01.2014)
Forscher des Deutschen Meeresmuseums haben mit Hilfe von Unterwasser-Mikrofonen
über zehn Jahre hinweg den Bestand der vom Aussterben bedrohten Schweinswale in
der deutschen Ostsee ermittelt. Ihre Daten lassen darauf schließen, dass hier
zwei Schweinswal-Untergruppen leben, die sich je nach Jahreszeit abwechselnd in
der Pommerschen Bucht aufhalten und insgesamt kritische Bestandszahlen
aufweisen. Im Hinblick darauf werden dringend konkrete Schutzmaßnahmen für die
Tiere gefordert. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler nun im
Fachmagazin „Marine Ecology Progress Series“ veröffentlicht.
Ihr Schutz ist längst
politisch beschlossen, der Umsetzung jedoch bescheinigen die Forscher ein
deutliches „Mangelhaft“. Schweinswale sind die einzige Wal-Art in der deutschen
Ostsee und ihr Bestand ist im vergangenen Jahrhundert bis nahe an die
Ausrottung zurückgegangen. Sowohl notwendige Maßnahmen zum Schutz der Tiere als
auch deren Anzahl und Verbreitung waren Inhalt dieser weltweit einmaligen
Langzeitstudie des Deutschen Meeresmuseums und des Bundesamts für Naturschutz.
Dafür wurden bereits im Jahr 2002 zwölf Unterwasser-Mikrofone (sog. PODs) in
verschiedenen Gebieten der deutschen Ostsee ausgebracht. Diese zeichneten
kontinuierlich die typischen Laute der Schweinswale auf, um die Anwesenheit der
Tiere in den verschiedenen Regionen überwachen zu können.
Nun haben die
Wissenschaftler eine Auswertung von zehn Jahren Datensammlung (2002 bis 2012)
im Fachblatt „Marine Ecology Progress Series“ vorgelegt. Die Ergebnisse lassen
darauf schließen, dass sich zwei verschiedene Schweinswal-Gruppen je nach
Jahreszeit abwechselnd in der Pommerschen Bucht aufhalten, da alle in der
Ostsee ausgebrachten Hydrofone eine jahreszeitliche Schwankung der
Schweinswal-Aktivität zeigten. Während die Geräte in anderen Gebieten einen
Höchstwert im Spätsommer und einen Kleinstwert gegen Ende des Winters
anzeigten, wurden in der Pommerschen Bucht sowohl im Spätsommer als auch am
Winterende Höchstwerte erreicht.
Die Wissenschaftler
schließen daraus, dass eine Schweinswal-Gruppe aus der dänischen Beltsee für
die Spätsommer-Monate in die Pommersche Bucht einwandert und über den
Spätwinter eine Gruppe aus der zentralen Ostsee einwandert. Gerade diese zweite
Gruppe wird mit einem Bestand von nur noch wenigen Hundert Tieren als vom
Aussterben bedroht eingestuft und steht seit 2008 auf der so genannten Roten
Liste. Die Pommersche Bucht wäre somit in doppelter Hinsicht schützenswert.
„Wir sind stolz, über
einen so beispiellos langen Zeitraum hinweg erfolgreich Daten zu den
Schweinswalen in der Ostsee gesammelt zu haben“, sagt Harald Benke, Direktor
des Deutschen Meeresmuseums und Erst-Autor der vorliegenden Studie. „Mit diesen
umfassenden akustischen Aufnahmen sind wir Weltspitze.“
Diese Daten sind
unerlässlich. Denn keine der bislang unternommenen Schutzmaßnahmen hat zur
Erholung der vom Aussterben bedrohten Ostsee-Schweinswale geführt. „Die
bisherigen Maßnahmen sind ausnahmslos Papiertiger“, kritisiert Harald Benke
deutlich. Nun jedoch ist Handeln angesagt: 2008 trat EU-weit die
Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie in Kraft. Dieser zufolge müssen bis 2015 alle
EU-Mitgliedsstaaten Programme zum Schutz ihrer Meere vorlegen. Und bis 2020
müssen sie einen „guten Zustand der Meeresumwelt“ erreicht haben.
Die Wissenschaftler
raten dringend dazu, den ungewollten Beifang von Schweinswalen zu verhindern
und zum Beispiel Fischreusen zu nutzen. Als zweiten Schritt empfehlen sie, die
Unterwasser-Lärmbelastung durch gezielte Maßnahmen besonders dann zu
unterbinden, wenn sich viele Schweinswale im lärmbelasteten Gebiet aufhalten.
Neben ungewolltem
Beifang und der Lärmbelästigung nennen die Forscher noch weitere Bedrohungen
für die Schweinswale. Diese sind beispielsweise chemische Schadstoffe im
Meerwasser oder der Rückgang ihrer Beutetiere durch Überfischung.
„Wir hoffen, dass auf
der Basis unserer Daten schon bald etwas unternommen wird, um die Schweinswale
in der Ostsee endlich wirksam zu schützen“, so Harald Benke.
Mit der vorgelegten
Studie etablieren die Forscher eine recht neue Form der Schweinswal-Beobachtung:
Bisher war es üblich, mit standardisierten Flügen übers Wasser die Tiere zu
zählen, wenn diese zum Atmen an die Oberfläche kommen und so sichtbar werden.
Die nun eingesetzte akustische Überwachung mit Hydrofonen hat demgegenüber
gleich mehrere Vorteile: Sie lässt sich auch bei schlechtem Wetter einsetzen,
wenn Wind und Wellen vor allem im Herbst und Winter verhindern, die Tiere zu
sichten. Auch nachts können Daten gesammelt werden. Dadurch lassen sich Trends
der Aktivität im Tagesverlauf ebenso aufzeichnen wie Veränderungen innerhalb
der Jahreszeiten. Schließlich ist diese akustische Methode deutlich effizienter
und kostengünstiger als Sichtungsversuche aus der Luft, wenn der Bestand der
Tiere sehr gering ist, wie es in der deutschen Ostsee der Fall ist.
Weitere Ergebnisse der
neuen Hydrofon-Daten sind eine deutliche Abnahme der Tieraktivität von West
nach Ost: Während im westlichsten Beobachtungsgebiet (nördlich der Insel
Fehmarn) an fast allen Erfassungs-Tagen Schweinswale aufgezeichnet wurden,
ließen sich im mittleren Beobachtungsgebiet (vor Rostock) an 71 Prozent der
Tage Schweinswale hören. Im östlichsten Beobachtungsraum schließlich
(Pommersche Bucht, östlich der Insel Rügen) waren Schweinswale nur an rund vier
Prozent der Tage zu verzeichnen.
Gerade hier in der
Pommerschen Bucht aber zeigen die Daten der Forscher eine Zunahme der
Schweinswal-Aktivität seit dem Jahr 2008. Noch aber, betonen die
Wissenschaftler, lässt sich nicht sagen, ob dies auch wirklich eine Zunahme der
Tierzahlen bedeutet. Es könnte auch sein, dass sich Tiere aus dänischen
Gewässern auf der Suche nach Nahrung immer weiter Richtung Osten vorwagen.
Konkrete Zahlen zu den
Schweinswal-Beständen in den einzelnen Gebieten der Ostsee sollen jedoch in
naher Zukunft folgen. Denn hieran arbeitet ein internationaler Verbund von
Forschern, an dem die Wissenschaftler des Deutschen Meeresmuseums ebenfalls
beteiligt sind: Das Projekt trägt die Abkürzung SAMBAH (Static Acoustic
Monitoring of the Baltic Harbour Porpoise, zu Deutsch: statisch-akustische
Überwachung der Ostsee-Schweinswale).
Auch die Forschung am
Deutschen Meeresmuseum geht weiter. „Unsere Hydrofone sind weiterhin an Ort und
Stelle“, so Harald Benke. „Außerdem wollen wir die Auswertung unserer Daten
noch verfeinern und dadurch noch etliches mehr über die Lebensbedingungen, das
Verhalten und die Schutzmöglichkeiten der Schweinswale erfahren.“