Sassnitz/Berlin. (ostSeh) Frank Biederstaedt ist studierter Archivar. Das ist erfreulich, weil sich seine Arbeiten in der Systematik von den zahlreichen selbsternannten Forschern und Ortschronisten der Stadt Sassnitz unterscheiden. Vielleicht kommt der Sassnitzer ja auch mal wieder in seine Heimatstadt zurück, mit der er sich mittels Publikationen in Print-Form und einer Internetseite auch aus Berlin beschäftigt.
Mit der Geschichte beider Ortschaften hat sich Frank Biederstaedt schon lange auseinandergesetzt. Davon zu hören war beispielsweise in der ReiheMuseumsgespräch des Fischerei- und Hafenmuseums, wo er mehrfach mit detailreichen Vorträgen zu Gast war. Dank seiner Großväter, die immer irgendwelche Anekdoten ausgruben, kam er schon frühzeitig mit der Geschichte von Sassnitz und Umgebung in Berührung, erzählt er. Das wird heute auch wieder gern genommen, weil es scheint, die Abstinenz der DDR, vor 1945 stattgefundene Geschichte aktiv als Grundlage für die neuere Entwicklung mit einzubeziehen, erzeugt heute ein großes Vacuum an Aufarbeitung. Wie Atemluft inhalliert eine geschichtsinteressierte Bevölkerung alle Publikationen und sammelt Fakten zur eigenen Abwägung. Stehen viele Alte doch nach wie vor im Misstrauen gegenüber dem früheren Geschichtsbild.
Seit einigen Jahren beschäftige sich Frank Biederstaedt intensiv mit der Geschichte von Sassnitz und ist auch selber Sammler von allerlei antiquarischen Druckerzeugnissen. Oder besser, er sammelt eigentlich nach und nach alles, was er zu Sassnitz in die Finger bekommt. Seine Website dokumentiert auch Filme, die in Sassnitz zu Hauff gedreht wurden. Und wer ein wenig das DEFA-Spektrum kennt, weiß, dass da noch einiges hinzukommen dürfte.
So konnte er am Ende seiner Ausbildung auch das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden und schrieb seine Diplomarbeit über die Geschichte der Dörfer Crampas und Sassnitz und deren Zusammenschluss. Auf Grundlage dieser Diplomarbeit ist das Buch, „Saßnitz wird daher niemals ein bedeutendes Seebad...“ - die Geschichte der Seebäder Crampas und Sassnitz, entstanden und es reicht bis in die 1920-er Jahre. Obwohl er sicher gerne auf Rügen geblieben wäre, arbeitet er heute bei der UFA in Potsdam und ist so viel als möglich auf „seiner“ Insel. Diese bringt er als Fotograf auch in der Fotocomunity anderen Liebhabern nahe. Insulaner sind so.
Seine kleine Broschüre von 78 Seiten umfasst die Entstehungsgeschichte der heutigen Hafenstadt, die, anders als ihre rügenschen Pendents der heutigen Bäderorte, immer etwas gespalten über ihr Schicksal ist. Denn der Satz zu Anfang ist nicht ganz falsch, auch wenn es die Lokalpatrioten sofort auf den Plan ruft. Schon zu Zeiten des Theologen Friedrich Schleiermacher musste Sassnitz mit an- und abgeschwemmten Sand kämpfen und auch der Wahlkampf neuerer Zeit machte vor der Tatsache nicht halt, dass Sassnitz direktemang gegenüber von Binz fast strandlos ist. Einer der Jungpolitiker im auslaufenden 20. Jahrhundert brachte unter lautem Lachen der Altsassnitzer Sand an den (Stein-)Strand, der dann schon vor der Wahl bei Sturmflut wieder weggeschwemmt war. Das deutet auf ein Handicap der Stadt Sassnitz hin, die als eine der letzten Städte überhaupt in Deutschland 1957 Stadtrecht erhielt. Da waren die Weichen der DDR schon gestellt, dass aus dem Kurort mit dem einzigen Kreideheilbad weit und breit eine Fischfangstadt wurde. Denn der Fisch wurde zum Lebensmittel erhoben und Sassnitz neben Rostock die Erzeugerstadt dafür. Die DDR liebte Spezialisierung im großen Stil. Also wurden bis Sachsen Menschen als Fischer angeworben und alles, was auf die Entwicklung der kleinen Fischerkaten zum kleinen, verträglichen Tourismus hindeutete, verschwand, verkam oder musste Plattenbauten weichen. Politik sorgte jedoch auch dafür, dass Bergen als Kreisstadt nicht größer als Sassnitz werden durfte und so siedelten die damaligen Strategen auch Hafenarbeiter in Bergen an. Die fuhren dafür jeden Tag nach Sassnitz. Nur das Rathaus, früheres Warmbad, zeugt noch in ganzer Schönheit nach einer geschmackvollen Restaurierung davon. Solche Bilder stellt der Autor in schwarz-weiß – leider teils etwas blass – und in sepia im Buch zur Verfügung.
Doch DDR, das ist nach der Zeit, die Biederstaedt beleuchteet. Er gräbt nochmals die Fundamente späterer Entwicklung aus. Der Leser erfährt dort schadlos von der langen Konkurrenz der beiden Ortschaften Sassnitz und Crampas, die erst vom Theologen zu Wylch, dem Begründer der Sagarder Brunnenaue, mittels Wanderweg ins Visier genommen wurde, bevor dann Schleiermacher und der Berliner Intellekt kam. Aber auch davon, dass die strategische Bedeutung von Sassnitz die Post, die Fähre, jedoch auch das Militär anzog, die der beschaulichen Badeidylle schon in den 1920-er Jahren die Grundlage und vor allem die Ruhe nahmen.
Wer das alles liest, kann auf dieser Basis philosophieren, ob es Sinn macht, dass Sassnitz mit einem seit langem geplanten Kurgebiet und Betten um die Tausend rund um das alte Schloss Dwasieden tatsächlich wieder in den Bäderreigen eingreifen kann. Oder sich mit seiner Rolle als interessanter Industriestadt mit wechselnder Vergangenheit abfindet und was daraus macht. Wie weit das Geschick für den großen Wurf mit internationaler Beteiligung reicht, zeigt ein kleines Beispiel mit großen Folgen. Ebenfalls international, in diesem Fall russisch-finnisch. Da wollte ein Konsortium einen Yachthafen aus dem alten Stützpunkt des Fischkombinats Stadthafen Sassnitz machen. Der alternierende Vorschlag des Yachtenthusiasten und Fischverarbeiters, der im Hafen angesiedelt tagtäglich das Revier vor Augen hat, war angeblich zu teuer. Die russischen Experten hatten zwar eine clevere Art, die Grundgewichte für die Anlegeplattformen zu versenken. Doch das Material insgesamt oberhalb der Wasserlinie hielt nicht einmal dem ersten kleinen Sturm, geschweige denn einem ordentlichen Eiswinter stand. Kohorten von Freizeitkapitänen und reihenweise deren Sprachrohre, die Jachtzeitungen, machten sich über die drei Jahre dauernde Geschichte lustig. Zumal Sassnitz auch vorher schon glücklos mit den Seglern umging und immer vom großen Wurf ohne Segler und Fischer im Hafen träumte. Nun ist dem Konsortium gekündigt und die Grundsteine werden wohl mit viel Mühe und einem Schwimmkran geborgen werden müssen. Man munkelt, das werde teurer, als die gesamte Anlage bisher. Und solcher Sachverstand soll sich mit Investoren in Größenordnungen eines Kurgebiets erfolgreich befassen? Von der einzigen Seebrücke auf Rügen, die nicht wenigstens eine provisorische Bedeutung für Schiffe erhalten hat, als der Förderreigen im Land 17 Seebrücken als Fragmente mit der Gießkanne finanzierte, ganz zu schweigen... Aber zurück!
Der Diplomarchivar wird da noch lange auszuwerten haben, was die Kollegin der Stadt vor Ort seit 1989 dokumentiert. Und so darf man hoffen, dass er sich der neueren Geschichte bald zuwendet und professionell die Dinge bearbeitet, die bisher immer die Auswärtigen oder nebenberuflichen Lehrer als Ortschronisten für Sassnitz meist unkritisch weil Teil des Systems bearbeitet haben. Bestes und positives Beispiel ist jener Steward, der von den Stasimachenschaften auf der Fähre Rügen zusammen mit dem Landesbeauftragten der Stasiunterlagen berichtete. Deren Macht natürlich für den Fährhafen ebenso galt. Doch die noch immer agilen Beteiligten werden das wohl nicht von selbst aufdecken.
Also Frank Biederstaedt, das wäre zwar heikler als reine und alte Geschichte, aber nun könnten Sie das doch mal als etwas wirklich Relevantes übernehmen.....
© ostSeh/Andreas Küstermann
Mit der Geschichte beider Ortschaften hat sich Frank Biederstaedt schon lange auseinandergesetzt. Davon zu hören war beispielsweise in der ReiheMuseumsgespräch des Fischerei- und Hafenmuseums, wo er mehrfach mit detailreichen Vorträgen zu Gast war. Dank seiner Großväter, die immer irgendwelche Anekdoten ausgruben, kam er schon frühzeitig mit der Geschichte von Sassnitz und Umgebung in Berührung, erzählt er. Das wird heute auch wieder gern genommen, weil es scheint, die Abstinenz der DDR, vor 1945 stattgefundene Geschichte aktiv als Grundlage für die neuere Entwicklung mit einzubeziehen, erzeugt heute ein großes Vacuum an Aufarbeitung. Wie Atemluft inhalliert eine geschichtsinteressierte Bevölkerung alle Publikationen und sammelt Fakten zur eigenen Abwägung. Stehen viele Alte doch nach wie vor im Misstrauen gegenüber dem früheren Geschichtsbild.
Seit einigen Jahren beschäftige sich Frank Biederstaedt intensiv mit der Geschichte von Sassnitz und ist auch selber Sammler von allerlei antiquarischen Druckerzeugnissen. Oder besser, er sammelt eigentlich nach und nach alles, was er zu Sassnitz in die Finger bekommt. Seine Website dokumentiert auch Filme, die in Sassnitz zu Hauff gedreht wurden. Und wer ein wenig das DEFA-Spektrum kennt, weiß, dass da noch einiges hinzukommen dürfte.
So konnte er am Ende seiner Ausbildung auch das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden und schrieb seine Diplomarbeit über die Geschichte der Dörfer Crampas und Sassnitz und deren Zusammenschluss. Auf Grundlage dieser Diplomarbeit ist das Buch, „Saßnitz wird daher niemals ein bedeutendes Seebad...“ - die Geschichte der Seebäder Crampas und Sassnitz, entstanden und es reicht bis in die 1920-er Jahre. Obwohl er sicher gerne auf Rügen geblieben wäre, arbeitet er heute bei der UFA in Potsdam und ist so viel als möglich auf „seiner“ Insel. Diese bringt er als Fotograf auch in der Fotocomunity anderen Liebhabern nahe. Insulaner sind so.
Seine kleine Broschüre von 78 Seiten umfasst die Entstehungsgeschichte der heutigen Hafenstadt, die, anders als ihre rügenschen Pendents der heutigen Bäderorte, immer etwas gespalten über ihr Schicksal ist. Denn der Satz zu Anfang ist nicht ganz falsch, auch wenn es die Lokalpatrioten sofort auf den Plan ruft. Schon zu Zeiten des Theologen Friedrich Schleiermacher musste Sassnitz mit an- und abgeschwemmten Sand kämpfen und auch der Wahlkampf neuerer Zeit machte vor der Tatsache nicht halt, dass Sassnitz direktemang gegenüber von Binz fast strandlos ist. Einer der Jungpolitiker im auslaufenden 20. Jahrhundert brachte unter lautem Lachen der Altsassnitzer Sand an den (Stein-)Strand, der dann schon vor der Wahl bei Sturmflut wieder weggeschwemmt war. Das deutet auf ein Handicap der Stadt Sassnitz hin, die als eine der letzten Städte überhaupt in Deutschland 1957 Stadtrecht erhielt. Da waren die Weichen der DDR schon gestellt, dass aus dem Kurort mit dem einzigen Kreideheilbad weit und breit eine Fischfangstadt wurde. Denn der Fisch wurde zum Lebensmittel erhoben und Sassnitz neben Rostock die Erzeugerstadt dafür. Die DDR liebte Spezialisierung im großen Stil. Also wurden bis Sachsen Menschen als Fischer angeworben und alles, was auf die Entwicklung der kleinen Fischerkaten zum kleinen, verträglichen Tourismus hindeutete, verschwand, verkam oder musste Plattenbauten weichen. Politik sorgte jedoch auch dafür, dass Bergen als Kreisstadt nicht größer als Sassnitz werden durfte und so siedelten die damaligen Strategen auch Hafenarbeiter in Bergen an. Die fuhren dafür jeden Tag nach Sassnitz. Nur das Rathaus, früheres Warmbad, zeugt noch in ganzer Schönheit nach einer geschmackvollen Restaurierung davon. Solche Bilder stellt der Autor in schwarz-weiß – leider teils etwas blass – und in sepia im Buch zur Verfügung.
Doch DDR, das ist nach der Zeit, die Biederstaedt beleuchteet. Er gräbt nochmals die Fundamente späterer Entwicklung aus. Der Leser erfährt dort schadlos von der langen Konkurrenz der beiden Ortschaften Sassnitz und Crampas, die erst vom Theologen zu Wylch, dem Begründer der Sagarder Brunnenaue, mittels Wanderweg ins Visier genommen wurde, bevor dann Schleiermacher und der Berliner Intellekt kam. Aber auch davon, dass die strategische Bedeutung von Sassnitz die Post, die Fähre, jedoch auch das Militär anzog, die der beschaulichen Badeidylle schon in den 1920-er Jahren die Grundlage und vor allem die Ruhe nahmen.
Wer das alles liest, kann auf dieser Basis philosophieren, ob es Sinn macht, dass Sassnitz mit einem seit langem geplanten Kurgebiet und Betten um die Tausend rund um das alte Schloss Dwasieden tatsächlich wieder in den Bäderreigen eingreifen kann. Oder sich mit seiner Rolle als interessanter Industriestadt mit wechselnder Vergangenheit abfindet und was daraus macht. Wie weit das Geschick für den großen Wurf mit internationaler Beteiligung reicht, zeigt ein kleines Beispiel mit großen Folgen. Ebenfalls international, in diesem Fall russisch-finnisch. Da wollte ein Konsortium einen Yachthafen aus dem alten Stützpunkt des Fischkombinats Stadthafen Sassnitz machen. Der alternierende Vorschlag des Yachtenthusiasten und Fischverarbeiters, der im Hafen angesiedelt tagtäglich das Revier vor Augen hat, war angeblich zu teuer. Die russischen Experten hatten zwar eine clevere Art, die Grundgewichte für die Anlegeplattformen zu versenken. Doch das Material insgesamt oberhalb der Wasserlinie hielt nicht einmal dem ersten kleinen Sturm, geschweige denn einem ordentlichen Eiswinter stand. Kohorten von Freizeitkapitänen und reihenweise deren Sprachrohre, die Jachtzeitungen, machten sich über die drei Jahre dauernde Geschichte lustig. Zumal Sassnitz auch vorher schon glücklos mit den Seglern umging und immer vom großen Wurf ohne Segler und Fischer im Hafen träumte. Nun ist dem Konsortium gekündigt und die Grundsteine werden wohl mit viel Mühe und einem Schwimmkran geborgen werden müssen. Man munkelt, das werde teurer, als die gesamte Anlage bisher. Und solcher Sachverstand soll sich mit Investoren in Größenordnungen eines Kurgebiets erfolgreich befassen? Von der einzigen Seebrücke auf Rügen, die nicht wenigstens eine provisorische Bedeutung für Schiffe erhalten hat, als der Förderreigen im Land 17 Seebrücken als Fragmente mit der Gießkanne finanzierte, ganz zu schweigen... Aber zurück!
Der Diplomarchivar wird da noch lange auszuwerten haben, was die Kollegin der Stadt vor Ort seit 1989 dokumentiert. Und so darf man hoffen, dass er sich der neueren Geschichte bald zuwendet und professionell die Dinge bearbeitet, die bisher immer die Auswärtigen oder nebenberuflichen Lehrer als Ortschronisten für Sassnitz meist unkritisch weil Teil des Systems bearbeitet haben. Bestes und positives Beispiel ist jener Steward, der von den Stasimachenschaften auf der Fähre Rügen zusammen mit dem Landesbeauftragten der Stasiunterlagen berichtete. Deren Macht natürlich für den Fährhafen ebenso galt. Doch die noch immer agilen Beteiligten werden das wohl nicht von selbst aufdecken.
Also Frank Biederstaedt, das wäre zwar heikler als reine und alte Geschichte, aber nun könnten Sie das doch mal als etwas wirklich Relevantes übernehmen.....
© ostSeh/Andreas Küstermann
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