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Dienstag, 3. November 2009

Rügen: Rügengeplaudere - Herbst

Krimis am Strand, Gourmetessen in luftiger Höhe mit Rundumblick oder ganz abseits, Aktionen nach Jahreszeiten oder neue Gastronomie. Kunst, Kultur oder die Hochzeit von Tokio-Hotel Mama Simone Kaulitz mit Gordon Trümper und den Zwillingen auf Rügen:

Das alles und viel mehr soll künftig hier stehen. Alle 14 Tage in der Kolumne

Herbst. Till Demtröder hat seine Schleppjagd Cross Country schon im Sommer abgesagt. War sie im vergangenen Jahr mit etlicher Prominenz unter Carlo von Tiedemann und Demtröder mal wieder von dem Pferdenarren und Schauspieler inszeniert worden, während seine Serie „Hallo Robbi“ eben starb, wird kolportiert, dass es in diesem Jahr an den Sponsoren gemangelt habe. Die Autobranche, im Jahr 2008 noch dicke als Geleitfahrzeugsteller mit Offroadern dabei, ist dieses Jahr satt. Klaro: 35 Prozent Anzeigenvolumen soll die Abwrackprämie den hiesigen Zeitungen an Einbußen beschert haben. Durch nicht geschaltete Anzeigen, da die Kunden ja frei Haus kamen. Diese Ersparnis hat vermutlich ein Polster für das nun kommende, magere Jahr geschaffen. Scheint es. Nur der Kurdirektor von Binz hatte Cross County noch als vermeintliches Topp-Ereignis im Juli vorzeitig aber eben fehlinformiert rausposaunt. Auch klar. Denn am Sonntag danach machen die Teilnehmer immer eine gute Figur am Binzer Strand mit Schaureiten. Das entgeht ihm nun.

So war nun die Mecklenburger Meute ende Oktober auf Gut Boldevitz mit einer Schleppjagd. Kirsten Victor wird wohl auch irgendwann mit Mutter Margitta und dem Naturerlebnisverein wieder eine Hubertusjagd im Westen der Insel organisieren. Statt stinkenden Karossen allerdings begleitet durch Kremser und Rossäpfel. Dort tritt dann eher ein unadeliger aber auch untadeliger Kreis von Sportreitern auf. Ohne Hunde. Und der Caspars-Kochschulenerfinder Stefan von Heine führt dabei sein Pferd Oscar aus und bedient in der Pause die Gesellschaft mit seiner mobilen Küche. Chic mit etwas Understatement, edel, jedoch nicht affektiert.

Währenddessen beklagt der Ökologische Jagdverein auf Rügen angesichts des Hubertustages am 3. November weiterhin, dass Teile der Jägerschaft den überhöhten Wildbestand nicht ordentlich reduzieren würden, Nationalpark wie andere Flur völlig überbevölkert von Schwarzwild, Reh-, Rot- und Damwild sei. Und siehe da: immer häufiger steht ungeniert direkt neben der Straße eine Rotte Bachen mit ihren Frischlingen oder ein Bock, der höchst geruhsam den Autos nachschaut. Gärten bleiben ebenso wenig verschont wie junge Obstgehölze und auf der Terrasse des Selliner Cliff-Hotels kommen höchst possierlich die Rehe den Gästen ebenso nahe, wie die Wildschweine in Moritzdorf. Dort leben sie am Wasser im Schilf, wo die Jäger wiederum nur schlecht beikommen.

Holger Nebel, Koch, Gastronom und neuer, verjüngter Vorsitzender des Kreisjagdverbandes, kann derlei Kritik nur schwer nachvollziehen. Sitzt er doch eben, während diese Zeilen abgefasst werden, mit anderen Kollegen aus den Revieren des Nationalparks nebst Randbezirken und veranstaltet eine kleine, private Hubertusjagd. Mehr gehe revierübergreifend leider nicht, bedauert er mobil auf dem Hochsitz. Nun, der dritte November ist eben auch ein stinknormaler Dienstag, lieber Holger Nebel. Auch wenn du schon Feierabend hast, weil das Mobby Dick im Sassnitzer Hafen im See-Nebel liegt und nur die Angestellten noch arbeiten. Doch Holger Nebel trägt auch erhellend zum Thema bei, dass in Wiek trotz Pensionierung des dortigen Pastors Klaus-Peter Lüdtke, Träger übrigens der Ehrennadel des Kreisjagdverbandes, am 15. November auch wieder der Hubertus-Gottesdienst in der Kirche stattfände. Gut so! Nach den Worten Lüdtkes schmackofatzt dann das Volk im Kirchgarten gegrilltes Wild von der Holzkohle, wo der Andrang auch am Sonntag daran erinnert, dass es trotz kritisiertem Wildbestand auf Rügen nicht immer einfach ist, Wild zu erwerben. Selbst der Nationalpark verkauft lieber aufs Festland. Offizielle Adressen neben Förstern und Jägern sind nur das Gutshaus Prosnitz oder die Kleine Försterei in Hagen. Die übrigens dieses Jahr auch ihr 15-jähriges Jubiläum feiert. Vom wilden Discomann zum anerkannten Gastronomen, Wildhändler und Jagdscheininhaber mit Waffenbesitzkarten. Gratulation Uwe Kasten. Auf dass du wild bleibst und nicht endest, wie Hirsch Hannes in deinem Wildgehege.

Was aber kommt am Ende? Die Wildkarte! Also nicht die Wildcard, wie sie im Hotel Hanseatic am Wochenende in Göhren mit den drei Spitzenköchen Ulrich Grampp, Peter Knobloch und Tony Münsterteicher praktiziert wird. Wildkarten werden auf Rügen leider noch häufig heimlich eingelegt, während Usedom schon längst seine Wildwochen feiert. Im Kleinen hat sie aber dennoch nicht nur in der Kleinen Försterei Jahresbestand. Auf Deutschlands größter und schönster Insel haben jedoch zu dieser herbstlichen Zeit immer die Lobbyisten der Kohlbauern aus dem Inselnorden in der Gastronomie das alljährliche Zepter ergriffen. Das ist auch gut, da die Anbauflächen leider stark zurückgehen und der zarte rote und weiße Kopf auf der Insel eher schwer zu haben ist. Da kaufen viele unbedacht vom Großhändler das bayerische Kraut. Auch so sind manche Rüganer. Gestartet sind also die Kohlwochen zusammen mit dem Deutschen Hotel und Gaststättenverband (DeHoGa) und es wird geschmort, was des Blatt hält. In der großen Edelstahlpfanne im Freien wie auf dem Rügenhof am Kap Arkona sonnabends oder in den Kohltöpfen der Küchen.

Viel Butter, Zwiebel, etwas Hack oder auch nicht, Salz muss, ein Gewürz der Wahl (Anis, Kümmel, Fenchel...) mit ätherischen Ölen gegen die Blähungen und dann Achtung: Rügener Kohl ist zarter als seine festländischen Anverwandten. Sonst geht es wie dem Edelkoch, der aus Österreich nach Göhren kam und bei der Einführung ein Bonmot vor der Presse abgeben wollte. Also erzählte er von seinem ersten Irish Stew mit Rügenkohl. Mit echtem Salzwiesenlamm, das es in Göhren bei Nils-Torsten Volk ebenfalls gibt. „Sie glauben nicht, was mir passiert ist“, wollte er einen auf Spannung machen. Ein anwesender Journalist: „Soll ich ihnen die Pointe versauen?“ „Schaffen sie nie!“ „Nun gut“, sagte dieser, „das Irish Stew ist ihnen verkocht, da sie den Kohl wie normalen Weißkohl gegart haben, er jedoch zu früh fertig war, das Lamm allerdings nicht....“ Ups. Die Salzluft gart hier schon auf dem Acker mit.

Ja, Rüganer dürfen das. Sie wissen es auch. Und für 0,30 bis 0,50 Euro das Kilogramm sollten Sie sich den Kohl auf der Insel auch zum Selbstkochen nicht entgehen lassen. Der Rügenkaten in Rambin beispielsweise verkauft Wittower Kohl ebenso wie viele der Kochstellen aus den Flyern des Rügen-Produkte-Vereins. Eigens für die im Oktober ganz anders aufgestellten Gäste zur Herbstfreude. Merke: nicht Filderkraut und nicht Bayerisch Kraut, immer nach Wittower Kohl fragen.

Bis bald zu neuen Erkenntnissen!
Ihr © Felix Krull


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