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Donnerstag, 13. Mai 2010

Rügen: Ein Menschenauflauf namens Flash-Mob

Fotos: ostSeh/Küma

Appetitlich garniert mit echt Rügener Polizei

Bismarck sagte einmal, auf Rügen sei alles 50 Jahre später. Oder sagte er „hinterher“? Vielleicht meinte er das auch auf ganz Vorpommern bezogen. Jedenfalls ist auf Rügen nun tatsächlich am Herrentag ein kleiner und erster Flash Mob realisiert worden. Knapp 5(0) Jahre später oder ein wenig früher, als im Rest der Republik. An der Selliner Seebrücke auf der Himmelsleiter.

Sellin/Rügen. (ostseh) „ 'Flash Mob', das kannst du nicht schreiben“, hätte mein früherer Redaktionskollege, heute wieder Lehrer, zu damaligen Zeiten gleich gesagt. „Das verstehen die Rüganer nicht.“ Wohlbemerkt, er war selbst einer. Aus Putbus. Hmm, also vielleicht Blitz-Meute oder so, aber die Assoziationen zu Blitz-Mädels oder Blitz-Krieg wären dann doch unschön. Ich wiederum war ja damals schon der Meinung, dass einmal die Woche ein Wort in einem Lexikon nachzuschlagen auch für Rüganer oder besser, LeserInnen von Zeitungen generell bereichernd wirken dürfte. Weiß mich damit aber im Gegensatz zum Mainstream der sieben-wortigen Sätze und dem „Text schön machen“ mancher Redakteusen. Und so gebe ich nach und hier auch gleich mal eine Erklärung mit auf den Weg, weil nahezu jeder heute ja im Internet auch Bildung mitnehmen kann und nicht, wie manche meinen, nur Stuss und Schund. (neben Porno natürlich.)

Wikipedia also sagt:
Der Begriff Flashmob (flash = Blitz; mob [von mobilis beweglich] = aufgewiegelte Volksmenge, Pöbel – deutsch etwa Blitzpöbel) bezeichnet einen kurzen, scheinbar spontanen Menschenauflauf auf öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen, bei denen sich die Teilnehmer üblicherweise persönlich nicht kennen und ungewöhnliche Dinge tun. Flashmobs werden über Online-Communitys, Weblogs, Newsgroups, E-Mail-Kettenbriefe oder per Mobiltelefon organisiert. Flashmobs gelten als spezielle Ausprägungsformen der virtuellen Gesellschaft (virtual community, Online-Community), die neue Medien wie Mobiltelefone und Internet benutzt, um kollektive Direkte Aktionen zu organisieren.

Bei Wikipedia wird übrigens ausdrücklich zur politischen Aktion abgegrenzt, weshalb die Selliner Mobber auch keine Taschentücher ans Auge hielten, um über den Zustand der Seebrücke und ihrer Verantwortlichen beim Betreiber der Hutter-Hotellerie und der Gemeinde Sellin zu trauern. Da wäre mehr Politik als Kunst im Spiel gewesen und das wieder,.... aber lesen Sie weiter.

Denn, nun ist es ja heute so, dass auch die Polizei sich im Internet bewegt. Nicht auf Rügen, bewahre, vermutlich eine mobile Einsatzgruppe in Schwerin oder Stralsund, nehme ich an, der ich zufällig den Zustand der Computer auf Rügen kenne und nicht glaube, dass sich dort viel machen lässt. Und so stand noch vor den Flash-Mobbern eine moderne, weil blaue Mercedes-Streife am Selliner Travelcharme Hotel, und zeigte Präsenz. Die Besatzung wiederum griff sich wahllos auf dem Parkplatz der Kurverwaltung Menschen ab, die vielleicht Veranstalter oder gar Besucher des Ereignisses namens Flash-Mob hätten sein können. Einem jungen Kameramann gegenüber behaupteten sie gar, dass sie das gleichfalls aus dem Internet hätten und das ja hätte genehmigt werden müssen. Das Drehen eines Filmbeitrages von ihm darüber übrigens auch. Was mich gleich dazu veranlasste, dem jungen Kollegen eine kleine Rundschau zum Presserecht und Landesmediengesetz zu geben. Denn die Seebrücke unterliegt allerhöchstens der Hoheit der Kommune und des Betreibers. Ist aber – andere Zeiten, andere Sitten – ansonsten frei ins Bild zu nehmen ohne fünffache Ausfertigung in Pappe und einem Politoffizier als Begleiter..

Wenn er also als Journalist, werte Ordnungshüter, an den Platz eines Ereignisses zur Berichterstattung kommt, hat er erstmals jarnüscht zu tun, außer seiner Arbeit. Dafür hat er einen Presseausweis, um das zu belegen. An der Arbeit sollten ihn die vormals Grünen und nun Blauen auch nicht hindern. Warum seine Personalien und die auch anderer auf dem Parkplatz erfasst worden sind, lässt sich nur mit einer hilflose Überreaktion oder einen Rückgriff auf alte Muster angesichts der schamlosen neuen Sitten erklären. Keinesfalls jedoch um Sachkenntnis, Herr Polizeidirektor Gustav Lüth. Da sollten wir doch nochmals eine Schulung zusammen mit dem Kollegen Werner von der Stralsunder Pressestelle der Polizei anberaumen. Der kennt sich da aus, gelle. Eben wegen Bismarck und dem hinterher sein.

Ansonsten hatte der Flash-Mob, wie bei XING – Trauminsel Rügen im Vorfeld nachzulesen war, eher eine künstlerische und spaßige Komponente, da solcherart Menschenaufläufe eben künstlerisch und nicht politisch begründet sind. Und somit auch schon wieder leichter mit dem Versammlungsgesetz und der Aussage nach Tucholsky, dass Kunst alles dürfe, konform gehen.

Doch nun zum eigentlichen Ereignis, von dem wir nicht wissen, ob es unsere Ordnungshüter im Eifer überhaupt wahrgenommen hatten. Denn es erschien wahrlich etwas zart. Mit Sicherheit aber keinesfalls kriminell oder ordnungswidrig. Denn oben auf der Seebrücke ging um 12 Uhr ein schwarzer Schirm auf, der aber unter wegen der vermutlich ungenauen Abstimmung der Uhren – Mensch, das kann doch jeder Wehrpflichtige bei der Bundeswehr besser- seine Entsprechung erst etliche Sekunden bis eine Minute später fand. Da hatte die Gruppe der Nordvorpommernschen Biker aber schon „frozen“, also im Schritt innegehalten, ihre Bewegung eingefroren und den Rest des Personennahverkehrs um sie herum auf der Treppe blockiert. Sehr schön von unten zu sehen, wie ein gelber Pullover sich irritiert durch die schwarzen Reihen der stehenden Biker auf der Treppe wand und etwas irritiert ob dieses Hindernisses war. Und in den Buchten standen (leider) fast mehr sogenannte Schaulustige, die sonst ja Gaffer heißen, als Teilnehmer. Wie hieß das früher? „Bürger, lasst das Glotzen sein, kommt herüber, reiht euch ein..“

Bekannt, so bestätigte mir ein wegen der polizeilichen Nachforschungen vorsichtshalber namenloser Gast auf der Seebrücke, sei es wohl gewesen. Und auch andere hatten wohl in einschlägigen Flash Mob-Foren oder, wie einer behauptete, gar in der OZ davon gelesen. Und während also die einen fasziniert oder zumindest neugierig am Rande blieben, bemerkten es andere überhaupt nicht. Ein zarter Anfang also.

Andrea Rensen-Krapf, Event-Managerin der Agentur Meereslust ( http://www.meereslust.de/) und laut der Gruppe XING – Trauminsel Rügen Ideengeberin, sieht darin jedoch mehr, als eine Spaßaktion. Destinationsmarketing, sagt sie so leicht dahin, könnte das im Tourismus auch bedeuten, was auf deutsch heißt, die Werbung für eine bestimmte Lokalität durch witzige Aktion. Also beispielsweise ein Gruppe von Menschen, die auf dem Berliner Hauptbahnhof an einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit etwas Sand auf die Fliesen fallen lässt, danach die Hüllen und sich wenige Sekunden lang um ein Schild FKK auf RÜGEN gruppiert, um sich dann kurz vor dem Eintreffen der Polizei in ganz normale Reisende aufzulösen. Nur der Sand bliebe dann. Na, Herr Hots-Thomas in der Tourismuszentrale, übernehmen sie? :-)

Stimmen zu Flash-Mobs im Netz
http://www.jurablogs.com/thema/flashmob

http://kreativerstrassenprotest.twoday.net/topics/Flash+Mob/

© 2010 ostSeh/küstermann

3 Kommentare:

Marcel Rudolph hat gesagt…

Junger Kameramann? Wenn Du wüsstest wie alt ich bin :-)
Vor allem wie Zielstrebig der Polizist auf uns zu kam und unsere Ausweise verlangt hat, ohne überhaupt zu wissen dass wir überhaupt zu dem Flashmob wollen hat mich schon sehr irritiert.
Aber dennoch danek für die Aufklärung... :-)

küma/ostSeh hat gesagt…

sorry, jünger als ich sicher :-)

das mit der zielstrebigkeit war es ja, was mich ebenfalls irritiert hat. daher musste ich auch der polizei einen mitgeben. die lernen das nie!! zumal du ja keinesfalls veranstalter bist und genau genommen deine arbeit getan hast. oder fühlst du ich falsch dargestellt im text?
ich bin relativ fit im presserecht und stelle häufig fest, dass es die polizei nicht ist. oder ignoriert. habe dazu mit uwe werner, pressestelleder polizeidirektion stralsund und dem polizeiseelsorger andreas schorlemer auch schon seminare bei der polizei gegeben zum thema "Gesicht hinter der Kamera.".

ich würde mich immer zuerst auf arbeit mit dem preseausweis ausweisen. der offizielle PA bittet unter hinweis auf die länder die behörden, mit dir zusammen zu arbeiten. wenn es der polizei auch nicht gefällt, hast du auf arbeit als journalist tatsächlich einen sonderstatus durch das presserecht.

das video ist übrigens klasse!! ich verweise auf die frau mit dem kind an der hand, die es erst schauen lässt, dann an ihm zerrt und dann wieder angesichts der stehenden menschen verhalten langsam wird. klasse! dazu mache ich nochmals eine PM, wenns recht ist.

Marcel Rudolph hat gesagt…

Nein nein, ich fühle mich nicht falsch dargestellt im Text :-)
Die Frau mit dem Kind ist wirklich genial und solche Bilder sind es die einen Flashmob erst richtig genial werden lassen...

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