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Samstag, 28. November 2009

Rügen: Neo-Nazis gab‘s auch in der DDR

Foto: © ostSeh/Küstermann

Sassnitz
. (ostSeh) Eigentlich tritt die frisch promovierte Erziehungswissenschaftlerin Dr. Heike Radvan (35) nicht vor Neonazis auf. „In Berlin gibt es einen Konsens, unser Wissen nicht einfach so preiszugeben“, sagte sie im Sassnitzer Grundtvighaus am Donnerstag. Kontinuität und Wandel war das Thema, das rechte Strukturen in der DDR aufzeigen sollte. Heike Radvan, gebürtige Sassnitzerin, arbeitet seit Jahren bei der Amadeu-Antonio-Stiftung Berlin zum Thema Rechtsextremimus.

In Sassnitz war jedoch alles anders. Drei uniformierte Männer kamen kurz nach Beginn der Veranstaltung und die im Jackenausschnitt zu sehenden schwarz-roten Reste der T-Shirts bestätigten den ersten Eindruck ihrer Herkunft. Die Stadt Sassnitz und die Veranstalter des Lokalen Aktionsplans (LAP) seien der Meinung, hier solle niemand ausgeschlossen werden, kolportierte Veranstalter Christian Dinse, Dokumentationszentrum Prora. „Sonst hätten wir die Erklärung zum Hausrecht aufgehängt, die einen Platzverweis möglich macht.“ Niemand sah sich somit in der Lage, ‚nein‘ zu sagen. Die drei jungen Männer, die brav bis zur Klärung des Sachverhalts stehen geblieben waren, durften sich im Rücken aller am Tresen setzen.

Das eigentliche Thema der Kontinuität und des Wandels von rechten Strukturen erfuhr so eine Bereicherung. An Fallbeispielen zeigte die Referentin auf, dass die DDR zwar das Ende der Entnazifizierung schon 1948 propagiert habe, Vorfälle wie das Kippen von Grabsteinen auf jüdischen Friedhöfen, Schmierereien mit dem Judenstern und schmähenden Schriftzügen jedoch immer Gang und Gäbe gewesen seien. Verwunderlich allerdings die Zahl von nur 5000 erfassten Neonazis auf 17 Millionen Einwohner, die 10 000 Sympatisanten gehabt haben sollen. Dass diese solche Bedeutung erlangten, könnte mit den aufgezeigten unterschiedlichen Sichtweisen der Volkspolizei und des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zusammen hängen. „Während das MfS deutlich warnte und der Volkspolizei gar ein Problem in einer internen Studie bescheinigte, ging die VoPo beispielsweise im Oktober 1987 mehr gegen Punks rund um die Berliner Zionskirche vor, statt sich die 30 Nazis zu greifen, welche die Kirche gestürmt hatten. „Ab diesem Zeitpunkt gab es nach Aktenlage so viele Leserbriefe, dass die seit den 70-ern bestehende Problematik auch in der Öffentlichkeit nicht mehr zurückgedrängt werden konnte.

“ Bis dato“, belegte Radvan, „war immer der Westen schuld.“ Was in manchen Fällen nicht ganz falsch war. „Die Politik, rechte Täter schnell auszuweisen, führte zu einer weiteren Vernetzung mit der Szene im Westen.“ Dass der Boden vorher fruchtbar war, belegte Radvan mit zahlreichen Verweisen auf Vorfälle bis hin in die Kreise der FDJ oder der NVA. Beispielsweise mit einer Feier von Fallschirmjägern in Demmin zum 100. Geburtstag Hitlers im April 89.

Die Pogrome in Hoyerswerda und Lichtenhagen im Jahr 1992 erscheinen da weniger überraschend. 146 Todesopfer rechter Gewalt in Ost und West seit der Wende ebenfalls. 40 Jahre DDR haben nicht ausgereicht, 12 Jahre Faschismus auszumerzen. Dies belegten nicht nur vergleichende Studien zu den Wahlergebnissen. „Legt man die Ergebnisse der Wahlen 1933 und die der letzten Jahre in Regionen wie Anklam übereinander, so trifft man auf verblüffende Ähnlichkeiten der Ergebnisse“, so Radvans nachdenkliches Resümé.

„Mich hat die Beteiligung der Rechten ganz schön geärgert“, sagte sie im Anschluss. In Berlin hängen wir ein Schild mit Verweis auf das Hausrecht auf und behalten uns einen Platzverweis nicht nur bei rassistischen Äußerungen vor.“

Woher die drei nun kommen, hatte sie jemand aus dem Publikum vergeblich gefragt und eine andere Äußerung ging dahin, es spannend zu finden, sich in solchem Rahmen einmal austauschen zu können. Diese Debatte am Anfang einer Veranstaltung zu führen, so war sich die Mehrheit einig, hätte jedoch den Rahmen gesprengt. Heike Radvan jedenfalls konnte auch in Sassnitz darlegen, dass die Taktik des Wortergreifens rechter Ideologen auf Veranstaltungen den eigentlichen Sinn kaputt mache. Und das Publikum sich bei diesem Vorgehen ganz schnell in einer rechten Agitationsveranstaltung wiederfinden könnte.

© 2009 ostSeh / ANDREAS KÜSTERMANN


1 Kommentare:

NA-Rügen hat gesagt…

he he wir waren nicht nur drei XD und habt ihr doch nur angst gehabt das wenn wir zu wort gekommen währen,euch an die wand diskutiert hätten

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