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Dienstag, 2. März 2010

Rügen: Selliner Galerie Hartwich zeigt Lutz Grünke

Endlich wieder Fotografie!!



Wolf und Lutz Grünke, hier etwas unzulässig aber aus interessierten Gründen zusammengebracht (weil zusammengehörig) und Fotos aus der Ausstellung von Lutz Grünke in der Selliner Galerie Hartwich. Fotos: ostSeh/Küstermann

Sellin (ostSeh) Fotografien von der Ostseeinsel Rügen aus den letzten DDR-Jahren sind seit 23. Januar in der Galerie Hartwich in Sellin zu sehen. Die Ausstellung zeigt noch bis 27. März Arbeiten des Binzer Fotografen Lutz Grünke unter der Regie von Knut Hartwich in dessen Selliner Galerie Alte Feuerwache.

Präsentiert werden in der Galerie um die 100 aus dem Grünke-Archiv unter 1000 vorausgewählten Fotos gesichtete Bilder, die bislang noch nie öffentlich gezeigt worden sind. Architektur- und Portraitaufnahmen aus den Jahren 1985 bis 1989 lassen ein kleines Zeitfenster der DDR auf Rügen aufgehen. Wenngleich Galerist wie auch Fotograf streng darauf bedacht sind, die fotografische Arbeit formal eigenständig im künstlerischen Sinne zu bewerten, kam bei den Gästen der Vernissage immer wieder ein „weißt du noch“, „ach ja, das kenne ich auch“ und ähnliches auf.

Zu den Schwarz-Weiß-Fotografien gehören private Experimente ebenso wie Aufnahmen aus dem Arbeitsleben Rügener Bürger wie die aus einer Backstube. Bei deren Anblick muss man sich unweigerlich das Jahr wieder in Erinnerung rufen, so antiquiert ist das Arbeitsfoto. So betrachtet wird auch die Landwirtschaft, der Handel sowie der Feriendienst der DDR. Mit dabei zudem eine Auftragsserie über den Alltag von Reinigungsfrauen in einem Binzer Urlauberheim des damaligen Feriendienstes der DDR-Gewerkschaft FDGB.

Bemerkenswert im gezeigten Bildumfang ist der Anteil an Aktfotos als Ausdruck des fotografisch-künstlerischen Standes jener Zeit. Deren Entstehung trugen bei Lutz Grünke damals sicher noch Spuren der Tradition des Binzer Foto-Clubs, wo erste Experimente dazu auch unter kritischem Blick des Vaters Wolf oder älterer, konservativer Mitglieder stattfanden.
Auf einer Veranstaltung in der Vortragsreihe „125 Jahre Seebad Binz“ hatte Lutz Grünke über den Vater berichtet, und wie die frühe DDR langsam Akt-Fotografie als Teil des künstlerischen Alltags akzeptierte. Aber auch, welche Welten zwischen den zögerlichen ersten Blicken auf Fotos von „jungen Wilden“ wie ihm lagen. Leider zeigt er nicht seine grafisch verfremdeten Akt-Arbeiten, die ein wenig an Foto-Grafik von Man Ray erinnern.

Im über die Grenzen der Insel Rügen für die DDR bedeutsamen Foto-Club fanden über solche Arbeiten erste prägende Auseinandersetzungen für den später geschulten Blick statt. Und dort erweitert sich auch die Geschichte der Fotografie um den Namen Wolf Grünke, den Vater, der als AFIAP-Fotograf dort mit weiteren Profis und Amateuren durchaus Fotos erstellte, die einem Zeitgeist und Stil von beispielsweise Henri Cartier-Bresson entsprachen und entsprechen.

Was, ohne das unzulässig zu vermischen, den Hintergrund ausmacht, sagt als einer von vielen Fotografen Klaus Jaeger vermutlich noch besser: (zitat)

„Aber es (die Zeit der DDR-Fotografie/Anm. Des Verfasser) waren auch meine fruchtbarsten Jahre mit der Kamera. Und das habe ich vermutlich Wolf Grünke zu verdanken. Wolf Grünke gilt als Nestor der Fotografie im Bezirk Rostock. Schon im Jahr 1960 wurde ihm von der Internationalen Föderation der Kunstfotografie (FIAP) der Titel Artiste FIAP (AFIAP) verliehen. Er hob die Foto-Biennale der Ostsee-Anrainerstaaten "ifo-scanbaltic" aus der Taufe, die ein kultureller Brückenschlag im kalten Krieg wurde. Eines Tages, ich glaube es war 1983 oder 1984, packte ich einen Stapel Bilder und besuchte ihn und seine Frau Lilo in ihrer kleinen, schilfgedeckten Bauernkate in Pantow auf der Insel Rügen. Wir wurden auch auf familiärer Basis sehr enge Freunde, so dass der Kontakt noch über viele Jahre nach der Wende bestehen blieb. Ich durfte Wolf 1984 helfen, den schon lange eingeschlafenen "fotoclub binz" wieder zu reanimieren. Gemeinsam arbeiteten wir auch in der Kreiskommission der Gesellschaft für Fotografie. Er lehrte mich vor allem durch seine beharrliche Bildkritik, zu einer eigenen Bildersprache zu finden. Wolf Grünke starb im Jahre 1996

Dass es ein „Wimpernschlag der Geschichte“ sein kann, der zwischen verschiedenen Fotoarbeiten und deren Bekanntheitsgrad liegt, zeigen diese Arbeiten. Eine Empfehlung zum Schluss: am besten zu zweit mit gegensätzlicher Vita die Ausstellung betrachten. Dann kommen erstaunliche Gespräche zustande.

Leider gibt es von den bei Grünkes archivierten Fotos des Wolf Grünke bisher nur das eine oder andere in zeitgeschichtlicher Regionalliteratur. Spannend wäre sicher, auch einen größeren Zugang zu den zwischenzeitlich schon wieder historischen Fotos beider Generationen in Form einer gemeinsamen Ausstellung oder besser eines Buches zu bekommen. Und die beiderseitige Entwicklung am Stück zu verfolgen. Lutz hatte während des Binzer Vortrags über den Vater in der Fotoclub-Tradition einige Arbeiten an einer Wäscheleine aufgehängt. Schon dieser nur zwei Stunden dauernde Ausblick machte Lust auf mehr.

Die Ausstellung Lutz Grünkes jedenfalls kann in der Galerie jeweils dienstags bis samstags von 15 bis 19.00 Uhr besichtigt werden. Auf die Ausstellung oder gar ein Buch zu Wolf Grünke wollen wir (vorläufig noch) geduldig warten. :-)

Und abschließend noch eine fotografische Such-Bitte:

WANTED!!

Fotoarbeiten auf Papier oder gar Negativ des Pädagogen und Hobby-Fotografen Rudolph Heymann, der als Zeitgenosse ebenfalls mit Grünke befreundet und als Pädagoge zeitweilig am Pädagogium in Putbus lehrte. H. muss ebenfalls im Binzer Fotoclub aktiv gewesen sein, oder ihm nahestehend, da zumindest eine Ankündigung einer Ausstellung in der Tagespresse seinen Namen als Autor trägt.

© ostSeh/Küstermann

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