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Samstag, 10. Juli 2010

Rügen: Zeitzeugengespräch mit dem Vorsitzender der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V.

"Was gestern Recht war, kann heute nicht Unrecht sein!" So rechtfertigte sich noch 1978 der Marinerichter a.D. Hans Filbinger als Baden-Württembergischer Ministerpräsident gegenüber der Öffentlichkeit, als Kritk wegen eines Todesurteils in Funktion eines Militärstaatsanwaltes gegen den Marinesoldaten Kröger in den letzten Kriegstagen aufkam. Kröger war dersertiert und gefangen worden. Rolf Hochhuth hattte es in einem Theaterstück angeprangert und Filbinger nahm letztlich seinen Hut.

Prora/Rügen (ostSeh) Am 17. Juli 2010 um 16:30 Uhr findet im Dokumentationszentrum Prora unter dem Titel „… der Deserteur muss sterben“ ein Zeitzeugengespräch mit Ludwig Baumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V., über sein Schicksal als Deserteur im 2. Weltkrieg und seinen Kampf um die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz nach 1945 statt.

Ludwig Baumann, geboren 1921 in Hamburg, wurde 1940 zur Wehrmacht eingezogen. Als Marinegefreiter entschloss sich Baumann, der „ohnehin nie Soldat werden wollte“, 1942 im Hafen von Bordeaux zusammen mit einem Kameraden zur Flucht. Bereits einige Tage später wurden sie gefangen genommen. Beide wurden gefoltert und anschließend zum Tode verurteilt. Erst Monate nach dem Urteil erfuhren sie von ihrer Begnadigung und der Verlegung in ein Strafbataillon an der Ostfront. Während sein Kamerad fiel, konnte Baumann den Krieg überleben.

Bei seiner Rückkehr nach Hamburg wurde er als „Vaterlandsverräter“ und „Feigling“ beschimpft und flüchtete in den Alkohol. Nach dem frühen Tod seiner Frau entschloss sich Baumann, Vater von sechs Kindern, gegen die Unrechtsurteile der NS-Militärjustiz und für seine Rehabilitierung zu kämpfen. Die Friedensbewegung der 1980er-Jahre gab ihm die Möglichkeit, politisch aktiv zu werden. 1990 gründete Baumann mit 37 Betroffenen die Bundesvereinigung Opfer der Militärjustiz e.V., deren Vorsitzender er bis heute ist. Dem Engagement des Vereins ist es zu verdanken, dass der deutsche Bundestag 1998, 2002 und 2009 – gegen teilweise erbitterten Widerstand, vor allem aus der CDU/CSU – alle Unrechtsurteile der NS-Militärjustiz aufhob.

Das Gespräch mit Ludwig Baumann findet im Rahmenprogramm zur Ausstellung “Was damals Recht war … Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht” der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas statt, die noch bis zum 31. August im Dokumentationszentrum Prora zu sehen ist.
Kontakt: Perke Kühnel, Objektstraße, Block 3/Querriegel, 18609 Prora, Tel.: 038393-13991, Mail: kuehnel@prora.eu

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