Foto: ostSeh/Küstermann
Lange war die Hanse ein Mythos. Nicht nur Störtebeker hat dazu beigetragen. Das Handelsmonopol hat ganze Städte aufblühen lassen, die Basis für die heutige Bedeutung gelegt. Wenn also Thomas Förster, der Experte in MV für Unterwasserarchäologie und Funde, sein Buch Schiffsbuch parallel zur eben erschienenen Dissertation vorlegt, darf man mit Geschichte pur rechnen. Die Luchte von 1306, deren Betreiben Hiddenseer Mönche zusicherten, um die Zufahrt nach Stralsund zu gewährleisten, ist nur ein Beispiel, was die Hanse auf welche Art alles beinflusste. Dafür gab es dann eine Wohnung in Stralsund, wenn die Mönche dort einmal länger tätig waren. Das wiederum erklärt die Verbindungen von Hiddensee nach Stralsund, die enger sind, als die nach Rügen.
Förster schöpft bei seinen Forschungen vor allem aus dem Wasser. Genau genommen aus den Wracks unter Wasser. Sie geben Aufschluss über die beispielsweise Baugeschichte der Koggen. Und wie die Hanse heute einen Mythos darstellt für einen wirtschaftlich erfolgreichen Verbund, sind es auch die Koggen, das vielbegehrte und wenig bekannte Transportmittel der Hanse. Der Nachbau des Ralswiek-Wracks war das Gesellenstück der hiesigen Forscher als experimenteller Archöologie, der Fund der Poeler Kogge ein Glücksfall für die weitere Basis und deren Nachbau als Wissemara in Wismar das Meisterstück. Unsere Nachbarn in Bremen stellen schon seit Jahrzenten die gefundene Bremer Kogge aus, deren Nachbau in Kiel entstand. Anders als bei der Bremer Kogge existieren jedoch in Mecklenburg-Vorpommern Funde, die weitaus detaillierter über die Bauweise und Fracht von Koggen Auskunft geben. Denn sie waren im Einsatz gesunken. Warum das so wichtig ist für ein Land am Wasser, erklärt Förster auch. Es existierten keine Baupläne, da Schiffe bis ins 19 Jahrhundert nach Erfahrung der Baumeister und Gefühl zusammengesetzt wurden und somit auch höchst individuell mit den Kenntnissen ihrer Erbauer wuchsen. So weist er anhand der Poeler Kogge nach, dass ihre Art der Klinkerung das Schiff schneller, der von innen nach außen gehende Kielansatz ihre Fahrt stabiler gemacht hat, als die sonst üblichen Plattbodenschiffe. Spannend auch die These, dass mit den Koggen ziemlich exakt die Größe der damaligen Forschungs- und Erobererschiffe dokumentiert ist, deren Originale in südlicheren Meeren meist verrottet sind. Das lässt auch andere Schifffahrtstechnische Hypothesen zu.
Wir erfahren ein wenig über Lübeck, Wisby als Drehscheibe des Handels, Wismar, 1226 Stadtrecht, Rostock (1218), Stralsund (1243) und Danzig (1224). Das sind die herausragenden Hanse-Städte unserer Region. Überlieferungen von dort aus Amtsgebäuden und von Kirchen prägen unser heutiges Bild. Vieles müssen wir noch deuten, manches korrigieren. Am Beispiel von falschen und echten Koggen zeigt Förster auf, wie schwer es war und ist, authentisches Material, beispielsweise aus Petschaften von Siegeln oder von Gemälden und Urkunden zu erhalten und auszuwerten. So sind die Schiffe eines populären Stralsunder Bieres keinesfalls Koggen, werden jedoch als solche angesehen. IN Folge sehen auch die Schiffe bei den Störtebeker-Festspielen so aus und prägen ein Bild. Doch es sind keine Koggen. Nebensächlich? Nun, die Kreidefelsen von Dover sind auch Kreide. Rüganer würden jedoch auf ihre authentische Küstensilhouette bestehen. Dieses Bewusstsein schärft Förster anhand seinen Erkenntnissen für den Schiffsbau.
Auch das Gellenwrack ist ein Glücksfall. Denn über die Kraweelbeplankung wurde vermutlich nach dem Weichsegeln 16 Jahre später eine glatte Beplankung drübergelegt. Das war eine Zeit lang im Sassnitzer Museum für Unterwasserarchäologie zu sehen. Die älteste gefundene Ostsee-Kogge (1313) ist die Darßer.
Was Förster hier nicht explizit hervorhebt, was aber die Fülle des heute kaum zugänglichen Materials nahelegt, ist der Verlust des Sassnitzer Museums für Unterwasserarchäologie. Mehr als 1400 Wracks deuten darauf hin, dass mit ihnen ebenso wie mit den Koggen noch etliches an Geschichte(n) geschrieben werden könnte. Wie es einem Land mit Werften und Tradition gebührt.
Übrigens sehr wichtig und unbedingt erwähnenswert sind die 50 Farb- und 30 S/W-Abbildungen von Roland Obst und Klaus Andrews, von denen viele unter Wasser entstanden.
Schiffe der Hanse
Hinstorff 1. Auflage 2009, 144 illustrierte Seiten
ISBN 978-3-356-01336-8
14,90 €
© 2009 ostSeh / ANDREAS KÜSTERMANN
Förster schöpft bei seinen Forschungen vor allem aus dem Wasser. Genau genommen aus den Wracks unter Wasser. Sie geben Aufschluss über die beispielsweise Baugeschichte der Koggen. Und wie die Hanse heute einen Mythos darstellt für einen wirtschaftlich erfolgreichen Verbund, sind es auch die Koggen, das vielbegehrte und wenig bekannte Transportmittel der Hanse. Der Nachbau des Ralswiek-Wracks war das Gesellenstück der hiesigen Forscher als experimenteller Archöologie, der Fund der Poeler Kogge ein Glücksfall für die weitere Basis und deren Nachbau als Wissemara in Wismar das Meisterstück. Unsere Nachbarn in Bremen stellen schon seit Jahrzenten die gefundene Bremer Kogge aus, deren Nachbau in Kiel entstand. Anders als bei der Bremer Kogge existieren jedoch in Mecklenburg-Vorpommern Funde, die weitaus detaillierter über die Bauweise und Fracht von Koggen Auskunft geben. Denn sie waren im Einsatz gesunken. Warum das so wichtig ist für ein Land am Wasser, erklärt Förster auch. Es existierten keine Baupläne, da Schiffe bis ins 19 Jahrhundert nach Erfahrung der Baumeister und Gefühl zusammengesetzt wurden und somit auch höchst individuell mit den Kenntnissen ihrer Erbauer wuchsen. So weist er anhand der Poeler Kogge nach, dass ihre Art der Klinkerung das Schiff schneller, der von innen nach außen gehende Kielansatz ihre Fahrt stabiler gemacht hat, als die sonst üblichen Plattbodenschiffe. Spannend auch die These, dass mit den Koggen ziemlich exakt die Größe der damaligen Forschungs- und Erobererschiffe dokumentiert ist, deren Originale in südlicheren Meeren meist verrottet sind. Das lässt auch andere Schifffahrtstechnische Hypothesen zu.
Wir erfahren ein wenig über Lübeck, Wisby als Drehscheibe des Handels, Wismar, 1226 Stadtrecht, Rostock (1218), Stralsund (1243) und Danzig (1224). Das sind die herausragenden Hanse-Städte unserer Region. Überlieferungen von dort aus Amtsgebäuden und von Kirchen prägen unser heutiges Bild. Vieles müssen wir noch deuten, manches korrigieren. Am Beispiel von falschen und echten Koggen zeigt Förster auf, wie schwer es war und ist, authentisches Material, beispielsweise aus Petschaften von Siegeln oder von Gemälden und Urkunden zu erhalten und auszuwerten. So sind die Schiffe eines populären Stralsunder Bieres keinesfalls Koggen, werden jedoch als solche angesehen. IN Folge sehen auch die Schiffe bei den Störtebeker-Festspielen so aus und prägen ein Bild. Doch es sind keine Koggen. Nebensächlich? Nun, die Kreidefelsen von Dover sind auch Kreide. Rüganer würden jedoch auf ihre authentische Küstensilhouette bestehen. Dieses Bewusstsein schärft Förster anhand seinen Erkenntnissen für den Schiffsbau.
Auch das Gellenwrack ist ein Glücksfall. Denn über die Kraweelbeplankung wurde vermutlich nach dem Weichsegeln 16 Jahre später eine glatte Beplankung drübergelegt. Das war eine Zeit lang im Sassnitzer Museum für Unterwasserarchäologie zu sehen. Die älteste gefundene Ostsee-Kogge (1313) ist die Darßer.
Was Förster hier nicht explizit hervorhebt, was aber die Fülle des heute kaum zugänglichen Materials nahelegt, ist der Verlust des Sassnitzer Museums für Unterwasserarchäologie. Mehr als 1400 Wracks deuten darauf hin, dass mit ihnen ebenso wie mit den Koggen noch etliches an Geschichte(n) geschrieben werden könnte. Wie es einem Land mit Werften und Tradition gebührt.
Übrigens sehr wichtig und unbedingt erwähnenswert sind die 50 Farb- und 30 S/W-Abbildungen von Roland Obst und Klaus Andrews, von denen viele unter Wasser entstanden.
Schiffe der Hanse
Hinstorff 1. Auflage 2009, 144 illustrierte Seiten
ISBN 978-3-356-01336-8
14,90 €
© 2009 ostSeh / ANDREAS KÜSTERMANN
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